Georg Meilahn
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Vertreibungsbericht des Georg Meilahn (1953)

 

Am 04.03.1945 wurde uns durch den Bürgermeister Hanig mitgeteilt, dass unser Ort am nächsten Tage geräumt werden sollte. Die Russen waren zu dem Zeitpunkt bis in den Raum Massow-Naugard vorgedrungen. Gleichzeitig wurde am 04.03. 1945 unser Ort von deutschen  Truppen besetz. Über  Nacht  haben wir noch verschiedene Wertgegenstände (Geschirr, Bestecke, Wäsche usw. ) vergraben und unsere Wagen für die Flucht geladen. Die Familie Thiemann, die bei uns einquartiert gewesen war, war bereits einige Tage zuvor mit dem Zug abgereist. Am Morgen des 05.03. brachen die Bewohner der Gemeinde in geschlossenem Treck auf. Das gesamte Vieh blieb zurück. Es ist zum Teil von den einrückenden Soldaten versorgt worden. Wie mir von Augenzeugen berichtet worden ist, soll später ein Teil des Viehs in Richtung Stettin fortgetrieben worden sein. Den Rest des Viehs haben später die Russen zusammengetrieben und abtransportiert. Nur wenige Personen sind in der Gemeinde zurückgeblieben, mussten aber, sobald die Russen in den Ort eindrangen, den Heimatort verlassen und sich hinter die russische Linie begeben, bis die Kampfhandlungen beendet waren. Später durften sie in den Ort zurückkehren.

 

Unser Treck fuhr in Hornskrug auf die Autobahn. Dort trafen wir mit verschiedenen Trecks, die schon von weither kamen, zusammen. Wir mussten einige Stunden warten, bis sich unser Treck einreihen konnte. Russische Flieger haben die Trecks beschossen, wobei es auch einige Verluste gegeben hat. Wir sind nur sehr langsam vorangekommen, und mussten die erste Nacht auf der Autobahn in Höhe von Podejuch verbringen. Am folgenden Tage kamen wir bis in die Nahe von Prenzlau und haben dort in verschiedenen Dörfern Quartier gemacht.

Am 07.03. vormittags brachen wir wieder auf und fuhren über Prenzlau weiter in Richtung Pasewalk. Unser Treck aus dem Heimatdorf war nicht mehr vollständig beisammen, da ein Teil des Trecks in Richtung Uckermünde gefahren war. In den nächsten Tagen zerstreute sich der Treck immer mehr. Ich fuhr mit meiner Familie zu meinem Bruder nach Koblenz bei Pasewalk, wo ich einige Wochen blieb. Nachdem der Russe die Oder überschritten hatte, fuhren wir weiter und gelangten bis Rostock. Am 01.05. nahm der Russe die Stadt Rostock ein. Wir waren überholt worden. Am 02.05. wurde uns von den Russen erklärt, der Krieg sei zu Ende, wir könnten in die Heimat zurückfahren. Wir haben daraufhin die Rückfahrt angetreten. Unterwegs wurden wir mehrmals von den nachrückenden Truppen ausgeplündert. Sie nahem uns Uhren, Bekleidungsstücke und hauptsächlich Schuhzeug fort. Unsere Pferde konnten wir einstweilen behalten. Vielen anderen wurden die Pferde ausgespannt, umgetauscht oder ganz abgenommen, so dass manche Wagen nicht weiterfahren konnten. Etwa am 11. Mai bin ich mit meiner Familie im Heimatdorf wieder angelangt. Wir waren die ersten, die zu Hause wieder angekommen waren. In den nächsten Tagen kamen weitere Einwohner in den Ort zurück, so dass wir ungefähr 70 Personen waren. Die Russen hatten auf meinem Grundstück Mühlenstraße 51 Quartier bezogen und dort etwa 1500 Rinder und über 1000 Schafe zusammengetrieben und dort geweidet. Die Frauen, die im Ort waren, mussten jeden Morgen um vier Uhr zum Melken erscheinen und nachmittags wiederum. Später kamen zwei russische Veterinäre, die das Vieh untersucht haben. Die Tiere, die marschunfähig waren, wurden abgeschlachtet, die übrigen von polnischen und ukrainischen Zivilarbeitern gen Osten abgetrieben.

 

Von Augenzeugen habe ich mir berichten lassen, dass die Russen am Donnerstag, den 08.05 in den Ort eingedrungen sind. Der letzte Zug war am Vormittag aus Richtung Gollnow nach Stettin gefahren. Ein Eisenbahner wurde am Nachmittag gefangen genommen, konnte aber am Abend bei einem deutschen Fliegerangriff wieder entkommen. Während der Kampfhandlungen sind etwa die Hälfte der Gebäude abgebrannt. Ich selbst habe noch fünf deutsche Soldaten, die auf meinem Gehöft lagen und schon unkenntlich waren, begraben.

Während der wenigen Wochen, die wir noch und unserem Heimatdorf waren, mussten wir in erster Linie für die Russen arbeiten. Ich musste Schlachten helfen, andere versorgten das Vieh oder mussten bei der Umbettung der gefallenen russischen Soldaten helfen, die alle gegenüber der Kreissparkasse im Ortsteil Groß-Christinienberg  auf einem Ehrenfriedhof bestattet wurden. Daneben hatten wir etwas Zeit, uns um unsere Wirtschaft zu kümmern. Vieh hatten wir nicht mehr. Meine Pferde wurden mir gleich am Tage der Rückkehr abgenommen. Wir haben einige Äcker mit Kartoffeln bepflanzt. Zwischendurch, fast täglich, kamen russische Soldaten und polnische Zivilisten und nahem uns von dem Rest unserer Habe weg, was sie gebrauchen konnten. Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung, aber meine Familie ist wie durch ein Wunder davor bewahrt worden. Zwei Frauen, soweit mir  bekannt ist, sind in unserem Ort von den Russen erschossen worden. Nur wenige Wochen durften wir in unserem Heimatort bleiben.

 

Nachdem die Russen Mitte Juni das gesamte Vieh abgetrieben und den Ort verlassen hatten, erschiene die polnische Miliz aus Lübzin und forderte uns auf, unsere Heimat zu verlassen. Am 26. Juni brachen wir zum zweiten Male von unserer Heimat auf, diesmal zu fuß mit einem Handwagen und einem Bruchteil des Gepäcks, das wir beim ersten Mal mitführten. Manche Leute fuhren ihr Gepäck auf Schubkarren. Angeordnet war, dass pro Person nicht mehr als 30 kg Gepäck mitgeführt werden dürfe.

 

Der Weg ging über Altdamm-Stettin. Alle Einwohner bis auf einen alten Mann von ca. 75 Jahren verließen den Heimatort geschlossen. Unterwegs vor Stettin wurde unser Gepäck noch von  russischen Soldaten und polnischen Banditen durchsucht und einzelne Gepäckstücke geraubt. Westlich Stettin, am 28.06., lösten wir uns auf und schlugen verschiedene Richtungen ein. Ich begab mich zunächst zu meinem Vetter nach Rosenhagen, Kreis Anklam.

 

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